HEIMATen  auf Durchreise in Weingarten

Die Spaziergänge durch Freiburg-Weingarten am 1. 2. und 3. April 2005

Irgendwann ergab sich die Route wie von selbst: Wir wollten mit dem Publikum durch jene Teile Weingartens spazieren, die uns am vertrautesten geworden waren. Manche Orte wurden uns von einzelnen Anwohnern als persönliche Lieblingsplätze gezeigt, andere haben wir mit Kindern bespielt und somit erkundet, wieder andere Plätze stellten  sich als Begegnungsorte im Stadtteilgeschehen dar. Wir entdeckten die Besonderheiten der Architektur und die Eigenheiten, mit denen die Weingartener mit ihrer Umgebung umgehen und sie regelrecht benutzen, sich zu eigen machen. Aus diesen Beobachtungen entstand beispielsweise eine Einkaufswagen-Performance: dabei wurde dieses in Weingarten omnipräsente Transportmittel in Anlehnung an die vielfältige „zweckentfremdete“ Nutzung durch Weingartener Anwohner, in alle möglichen und unmöglichen Lagen gebracht, hin- und hergewendet, sein Gewicht getestet, ebenso wie seine Klangfähigkeit und seine Qualitäten als Sitzgelegenheit.

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Ein solcher spielerischer Umgang mit alltäglichen Objekten, irritiert vielleicht auf den ersten Blick, ermöglicht aber im Folgenden einen anderen, vielleicht erheiterten Blick auf das Alltaggeschehen um uns herum.

Als Neuankömmlinge in Weingarten sind uns während unserem 6-wöchigen Aufenthalt dort natürlich auch viele Dinge aufgefallen, die ein Alteingesessener vielleicht schon längst übersieht. So waren wir von Anfang an von den großen „Müllkäfigen“ beeindruckt, in denen sich die Mülltonnen befinden und in die man nur mit einem Schlüssel Eintritt erlangt. Diese Käfige lassen an Raubtiere denken, an wilde Löwen und Tiger. Im Rahmen einer Malwerkstatt haben wir mit den Kindern des Stadtteils einen Zoo hinter die Gitter gezaubert: an den Tagen der Aufführungen wurden die Spaziergänger somit von einer bunten Tierschar in den Käfigen überrascht. Dazu wurde laut- und löwenstark gebrüllt, gemeckert, gekräht und gezwitschert.

O-Ton (mp3)

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Doch neben der Außenansicht auf Weingarten, die geprägt ist von dem Eindruck der Hochhäuser, dem Einkaufszentrum und den öffentlichen Plätzen als Orte von Anonymität aber auch als Orte der Begegnung von Menschen unterschiedlichster Nationen, wollten wir auch Einblicke ermöglichen. Was verbirgt sich hinter den Fassaden? Selbst in der kurzen Zeit, die wir in Weingarten verbrachten, wuchs das Vertrauensverhältnis zu einigen Anwohnern in solchem Maße, dass sie uns ihre Wohnungen für die Spaziergänge zur Verfügung stellten.  Indem wir die Spaziergänger in die Hochhäuser einlassen konnten und diese in drei verschiedenen Wohnungen neben der Aussicht auch in den Genuss mehr oder weniger offensichtlich theatraler Szenen kamen, konnten wir den Begriff Heimat um die Dimension des privaten „Zuhause“ erweitern.

           

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Wie und wo wohnen wir? Wie wird ein Ort der unsrige und wann ist eine Wohnung heimelig? Kann ein besonderer Essensgeruch, ein vertrautes Geräusch, ein geerbtes Möbelstück uns ein Stück Heimat sein?

Zudem wurde der Zuschauer-Spaziergänger mit der Privatsphäre des Wohnungsbesitzers konfrontiert, mit dessen ganz persönlicher „Heimat“. Das löste Fragen bezüglich der Zuschauerrolle aus und machte bewusst wie unmerklich Inszenierung und Alltagsgeschehen, öffentlicher und privater Raum ineinander übergehen.

Natürlich war uns immer bewusst, dass wir kein ganzheitliches Bild von Weingarten gewinnen können in dieser kurzen, wenn auch intensiven Zeit. Folglich sahen wir unsere Aufgabe in Bezug auf den Spaziergang darin, Akzente zu setzen und Impulse zu geben. Und natürlich auch auf unsere Grenzen zu verweisen und an all das zu erinnern, was darüber hinausgeht.

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Vom einzigen grünen Hügel hat man freie Sicht auf jene Teile Weingartens, die wir bei unserem Spaziergang nicht berücksichtigen konnten; dort mischte sich ein französischer Freiburger unter die Spaziergänger, der von seiner Begegnung mit einem Weingartener der besonderen Art erzählte: Vor Jahren hatte er Oskar Birkenfelder, den Wortführer der Freiburger Sinti-Siedlung getroffen und war mit ihm ins Gespräch gekommen.  Seit einigen Jahrzehnten ist das fahrende Volk der Sinti in Freiburg-Weingarten seßhaft geworden. Aber hat man dort mittlerweile auch eine Heimat gefunden?

Auf diese und ähnliche Weise fand immer wieder eine Bezugnahme auf das Thema HEIMATen statt und das Kennenlernen der fremden Heimaten rief eine Reflexion der eigenen Situation hervor.

Letzte Station des Spaziergangs war das Parkhaus am Einkaufszentrum. Zu einer Soundcollage, die typische Geräusche und Klangstücke aus Weingarten aufgreift, verwandelte sich das kühle Parkdeck zur Bühne für „Fremde HEIMATen“.

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Nach dem zweistündigen Spaziergang luden wir in unser Freiluftwohnzimmer auf dem Marktplatz: an allen drei Abenden wurde diese Angebot erfreut vom Publikum angenommen.

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In den Gesprächen und Rückmeldungen stellten wir fest, dass sich die Spaziergänger wie erhofft bunt zusammensetze. Viele Weingartner waren neugierig gewesen sich von uns im scheinbar altbekannten Umfeld überraschen zu lassen und all die anderen, die zum großen Teil das erste Mal den Stadtteil besucht hatten, waren offen genug gewesen sich über die Vorurteile hinweg nach Weingarten zu wagen.

Fotos von Moritz Schelkes und Heinz Vogel

Dank an :

Annette Brox, Inge Faessler, Marianne Holm, Ulli Kirchhoff, Annette Pavan, Clemens Rietmann, Mathilde Roentgen, Malte Schneider, Viola Sinn, Matthias Staenke, Heinz Vogel, Elmar Weber, Maria Wolf und die Breakdance-Gruppe aus dem Jugendzentrum

Westfond GmbH, Sparkasse Freiburg, Freiburger Stadtbau GmbH, Landesstiftung Baden-Württemberg

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